Das Interview mit Clara Luciani

Angeborener Stil, eine goldene Stimme und ein zeitloser Look: Clara Luciani ist Frankreichs neue, junge Sängerin, um die uns die ganze Welt beneidet. Während sie für Longchamp Jacques Dutroncs legendäres „Il est 5 heures, Paris s'éveille“ covert, erzählt sie uns von ihrer Vision der französischen Hauptstadt, von ihrem Stil, ihrer Musik ... von ihrem Leben, um es kurz zu machen!

Es ist 5 Uhr, Paris erwacht ... Und wo sind Sie?
Im Bett. Ich bin kein Partygirl, und wenn ich vor dem Morgengrauen meine Augen öffne, dann weiß ich, dass ich noch drei Stunden habe, bevor ich meine erste Tasse Tee trinke. Dann versuche ich, wieder einzuschlafen!

 

Sacha Guitry hat gesagt: „Pariser zu sein bedeutet nicht, in Paris geboren zu sein. Es bedeutet, dort wiedergeboren zu werden.“ Stimmen Sie dem zu?
Auf jeden Fall. Ich finde mich in diesem Zitat wieder. Ich sage oft, dass ich eine lange Schwangerschaft von neunzehn Jahren hatte, bevor ich in Paris geboren wurde! Wie Delphine es in „Die Mädchen von Rochefort“ so passend singt: „À Paris, moi aussi, je tenterai ma chance.“ (In Paris werde auch ich mein Glück versuchen.) Als ich hier ankam, schien endlich alles möglich, zumindest musikalisch. Ich entdeckte mich selbst, fand meine künstlerische Berufung und fühlte mich erfüllt. Ich schrieb einige meiner wichtigsten Lieder, zum Beispiel „Les fleurs“.

 

Ist Paris die schönste Stadt der Welt?
Man findet in Paris immer und überall Schönheit, so viel ist sicher. Ich liebe diese Stadt, aber mein Herz schlägt ebenfalls für Aix-en-Provence, deren Architektur und umliegende Natur mich schon sehr lange inspirieren. Es ist kein Zufall, dass ich mein erstes Album „Sainte-Victoire“ getauft habe. Dort komme ich her. Was mir allerdings in Paris ein Gefühl von Heimat gibt, ist die Tatsache, dass diese Stadt mir meine schönsten Erinnerungen hinsichtlich der Bühne, der Freundschaft und jeder anderen Art von Abenteuer geschenkt hat. Viele Künstler haben mir eine Chance gegeben: Benjamin Biolay, Raphaël, La Femme, ... Mein erstes Solo-Konzert war im Madame Arthur. Und ich werde auch die roten Buchstaben an der Fassade der Olympia nicht so schnell vergessen.

 

Das war ein wichtiger Moment ...
Ja! Nach etwa einem Dutzend Eröffnungsnummern und andere Kollaborationen in der Olympia hatte ich sie schließlich für mich allein!

 

Welcher ist Ihr liebster Bezirk in Paris?
Das kommt auf den Tag und die Stimmung an ... Ich mag den 18. und den 9. vielleicht etwas lieber als die anderen; vermutlich, weil ich dort viel arbeite. Manchmal wage ich mich auf die linke Flussseite, um im Jardin du Luxembourg spazieren zu gehen und bei Mademoiselle Angelina in der Nähe vom Musée du Sénat einen Kakao zu trinken.

 

Was ist das perfekte Frühstück, wenn Paris erwacht?
Ein Pain au chocolat! Ich bin diesem Gebäckstück immer schon treu gewesen und werde es immer sein. Und ich möchte betonen, dass die, die es „Chocolatine“ nennen, sich gewaltig irren.

 

Wer ist Ihrer Meinung nach die Pariser Ikone schlechthin?
Juliette Gréco. Sie hatte etwas unglaublich Freies an sich, fast schon hochmütig in ihrer Freiheit, wild, schön und niemals schüchtern. Sie war weder besessen von Minimalismus noch versuchte sie, eine Ikone zu sein. Es war ganz einfach Geldmangel, der sie dazu zwang, in ihrer Kleidung nach Einfachheit zu suchen. Ihr müheloser Stil wurde so zur Uniform von Saint-Germain-des-Prés ... und das ganz unabsichtlich!

 

Weshalb beneidet uns die ganze Welt um den Stil der „Pariserin“?
Weil er unnachahmbar ist. Und der Grund, weshalb er nicht imitiert werden kann, ist seine Unabsichtlichkeit. Wenn man ihn erzwingen will, dann verliert man ihn ... Französinnen sind die Außenseiter der Mode! Außerdem ist das Ganze eher eine Haltung als ein Stil, eine ungezwungene Eleganz, die wir bei bestimmten Frauen finden, ihr Alter, ihr Erscheinungsbild oder ihre Herkunft: Catherine Deneuve, Charlotte Rampling, Charlotte Gainsbourg, Jeanne Damas, Anna Karina, …

 

Starke Frauen, jede auf ihre Weise!
Richtig! Genau darum geht es übrigens in meinem Lied „La Grenade“: Die weibliche Power ist ebenso stark wie die der Männer.

 

Es wurden viele Filme in Paris gedreht. Welcher berührt Sie besonders?
„Chanson der Liebe“ von Christophe Honoré, der es wie kein anderer schafft, Paris in Worte und Musik zu fassen. Ich bin ein großer Fan von Musicals. Jacques Demy hat mich verzaubert, und die Verbindung von Bild und Ton überwältigt mich immer wieder.

 

Das schönste Lied über Paris?
Wenn wir schon bei Musicals sind ... Für mich ganz eindeutig „Paris Violon“ von Michel Legrand, der die Musik für viele schöne Filme komponiert hat. Wie ich es liebe! „Paris Verlaine, aux sanglots longs / Paris ce soir se fait violon …“

 

Und hinsichtlich Literatur?
„Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas dem Jüngeren. Eine großartige Liebesgeschichte, wie ich sie am liebsten mag, in einem Paris einer anderen Zeit, dem Paris des 19. Jahrhunderts, von den Salons und Garderoben bis hin zum Opernhaus. Für die Geschichte der Beziehung zwischen einem jungen Mann aus gutem Hause und einer Mätresse hat sich Dumas der Jüngere von seiner Leidenschaft für eine gewisse Marie Duplessis inspirieren lassen, die sehr jung an Tuberkulose gestorben ist.

 

Die Liebe ist auch für Sie eine wichtige Inspirationsquelle, oder?
Wenn ich vor ein paar Jahren kein gebrochenes Herz gehabt hätte, dann wären meine ersten Songs vermutlich nie entstanden. Es brauchte eine Trennung, um in mir das unbändige Bedürfnis zu wecken, meine eigene Musik zu machen. Die Intensität, mit der ich mein Debütalbum geschrieben habe, ist zwar immer noch präsent, aber ich habe inzwischen den nötigen Abstand genommen und mich auf etwas anderes konzentriert, insbesondere dank des Empfangs in Sainte-Victoire und der Tournee ... Die Bühne ist mein Lebenselixier!

 

Welches ist Ihr Lieblingslied von Jacques Dutronc?
Ich liebe „L'Idole“, der Songtext ist fantastisch. Er spricht über die andere Seite der Bühne aus Sicht eines Sängers und widerlegt mit Selbsthumor und einem gewissen Zynismus (sehr pariserisch!) das Bild von Glanz und Glamour, das das Publikum vom Künstler hat, das aber so meist gar nicht zutrifft.

 

Warum haben Sie zugestimmt, „Il est 5 heures, Paris s'éveille“ zu covern?
Zunächst einmal habe ich mich gefreut, diese Ode an eine Stadt singen zu dürfen, die ich liebe, von der ich mich aber aufgrund der Lockdowns länger als erwartet fernhalten musste. Auf diese Wiese konnte ich wieder zu ihr zurückkehren! Außerdem ist es eine Ehre, Jacques Dutronc interpretieren zu dürfen, da er zu meinen Lieblingskünstlern gehört. Ich schätze sehr, was er und Françoise Hardy der französischen Musik geschenkt haben. Sie haben sie durch ihre Freiheit, ihren Charme und ihre Frechheit entstaubt, ohne sie scheinbar direkt zu berühren. Und wie der Zufall es so will, habe ich erst vor Kurzem ein Duett mit ihrem absolut genialen Sohn, Thomas Dutronc, aufgenommen!

 

Wie genau sind Sie beim Covern vorgegangen?
Ich bin zwar ein Fan der 60er-Jahre, aber wenn ich einen Song aus diesem Jahrzehnt covere, versuche ich immer, mich so weit wie möglich von seiner Ästhetik zu entfernen, damit das Ganze nicht zu einer Parodie wird. Die Vergangenheit ist vorbei! Man muss versuchen, die Fortsetzung zu schreiben, indem man etwas Neues vorschlägt, ohne dabei das Erbe zu verleugnen. Das Wichtigste ist, ein Künstler seiner eigenen Zeit zu sein. Ich wollte dem Ganzen also die DNA meiner eigenen musikalischen Welt verleihen: organischer, produzierter Pop, vor allem mit einem berauschenden Bass. Bei der Aufnahme habe ich mit meinem engsten Team zusammengearbeitet, den Musikern und Regisseuren Ambroise Willaume alias Sage und Yuksek.

 

Was sind Ihre musikalischen Inspirationen?
Sie sind sehr vielfältig! Von Erik Saties melancholischem Klavier über den Psychedelia-Rock von Spacemen 3 bis hin zu Jacques Brels heimischen Liedern ... Mir ist es wichtig, neugierig zu bleiben und mich von allen Künsten im weitesten Sinne inspirieren zu lassen: Malerei, Fotografie, Film, Mode. Ich verfolge außerdem aufmerksam, was bei meinen französischen Kolleginnen und Kollegen passiert, zum Beispiel Juliette Armanet, Hervé oder P.R2B.

 

 

 

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